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Dr.-Ing.
habil. Wolfgang Voigt
Im Kern modern? - Ein neuer
Blick auf einen notorischen Reaktionär.
Paul Schmitthenner versus Walter Gropius.
"Though
an outspoken enemy of Die Neue Sachlichkeit, Schmitthenner claims Modernity
(…) His larger buildings are in a half-modern tasteful style, much better
than much work in Germany, more modern in intention." Paul Schmitthenner
(1884-1972) ein Moderner, kann das sein? Diese 1933 gedruckten Sätze
stammen immerhin von einem, der es wissen muss – von Philip Johnson. Und
zwar nicht von dem postmodernen Johnson der 1980er Jahre, sondern von
dem frühen Johnson, der zwei Jahre früher zusammen mit Henry-Russell-Hitchcock
in einer epochalen Ausstellung im New Yorker MoMA definiert hatte, was
fortan als "Internationaler Stil" in der Architektur zu gelten
hatte.
Über Schmitthenner erfährt man in den Standardwerken der Baugeschichte
kaum mehr, als dass er Häuser baute, die stark an Goethes Gartenhaus
in Weimar erinnern, dass er fast die Weißenhofsiedlung verhindert
hätte und dass er als Reaktionär zu bezeichnen sei. Tatsächlich
ist die Sache komplizierter.
Wolfgang Voigt ist der Autor der 2003 im Deutschen Architekturmuseum veranstalteten
Ausstellung über Paul Schmitthenner, die zu einer Neubewertung des
Architekten geführt hat. Schmitthenner war ein charismatischer Architekturlehrer,
dessen Doktrin „Gebaute Form“ viele Anhänger fand. Seine Versuche
zur Industralisierung und Verbilligung der Kleinwohnung in Stuttgart waren
offensichtlich erfolgreicher als die von Gropius in Dessau. Seine Parteinahme
für die Nationalsozialisten dauerte nicht lange. Was wenige wissen:
spätestens 1938 war Schmitthenner ein subtiler Kritiker Albert Speers
und der Maßstablosigkeit der NS-Architektur, der bis 1943 seine
Botschaft in Vorträgen und Schriften in kaum chiffrierter Form an
sein Publikum brachte.
Dr.
–Ing. habil. Wolfgang Voigt, geboren 1950. Architekturstudium, Promotion
und Habilitation an der Universität Hannover. wiss. Mitarbeiter an
der Hochschule Bremen (1979-81), Hochschule für bildende Künste
Hamburg (1986-95), dort Vertretungsprofessur 1993/94.
Seit 1997 stellvertretender Direktor am Deutschen Architekturmuseum, Frankfurt
am Main. Dort Ausstellungen und Monografien zu Heinz Bienefeld, Helmut
Jacoby, Paul Schmitthenner, Dominikus Böhm, Gottfried Böhm,
Sinan, Neue Architektur in den neuen Bundesländern.
Eigene Forschungen und Publikationen über Makroprojekte der Moderne
(Atlantropa. Weltbauen am Mittelmeer, 1998), Architektur und Exil, Normung
in der Architektur (Ernst Neufert), Traditionalismus und Moderne, Entstehung
der Bauaufgabe Flughafen.
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